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Nordsinai – Südsinai
In den vergangenen Jahren konnte man häufig von schrecklichen Dingen lesen, die sich „Im Sinai“ zutrugen: Anschläge auf Militär und Polizei, Anschläge auf Gaspipelines, Sprengung von Häusern, Bombardierungen und brutaler Menschenschmuggel. Leider geschehen diese Dinge tatsächlich. Es ist aber bei Nachrichten vom Sinai
grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem Nord- und dem Südsinai. Die Dinge, von denen hier die Rede ist beziehen sich allesamt auf den Nordsinai und dort auch nur auf ein kleines Gebiet in der Nähe zum Mittelmeer und an der Grenze zu Israel. Der Nordsinai ist schon seit längerem ein „Problemkind“ für Ägypten. Viele der etwa 300.000 Beduinen, die dort leben fühlen sich seit jeher weniger Ägypten zugehörig, als vielmehr dem Gaza-Streifen und Israel, bzw. Palästina, der einstigen Heimat vieler von ihnen. Sie sind der ägyptischen Regierung entfremdet und haben das Gefühl, diese tue nichts für sie. So erfahren z.B. aus dem Niltal eingewanderte Ägypter mehr Unterstützung als die Beduinen. Für letztere gibt es kaum Verdienstmöglichkeiten und ihnen wird kaum Ackerland zugestanden. Vergleichbaren Tourismus wie im Südsinai gibt es nicht. Viele suchen sich daher Verdienstmöglichkeiten im illegalen Sektor, insbesondere im Schmuggel. Geschmuggelt werden alle möglichen Waren des alltäglichen Lebens in den Gazastreifen (durch Tunnels). Geschmuggelt werden aber auch Waffen, Sprengstoff und sogar Menschen, vor allem Flüchtlinge aus dem Sudan und
Eritrea. In der Welt des Menschenhandels gibt es unvorstellbare Greueltaten, an denen sich auch Beduinen des Nordsinai beteiligen, um Geld, teilweise sehr viel Geld mit ihren menschlichen Opfern zu verdienen. Ebenso gibt es aber viele Beduinen, die damit nichts zu tun haben und die sich dafür einsetzen, dass den betroffenen Menschen geholfen wird. Tausende afrikanischer Flüchtlinge gelangten über den Nordsinai nach Israel. Für sie
gibt es dort aber kein Recht auf Asyl und die meisten Flüchtlinge werden interniert und wie Kriminelle behandelt. Um den Schmuggel generell und um weitere „Infiltrierung“ durch Ausländer zu verhindern errichtete Israel auf einer Länge von etwa 250 km einen 5-8 Meter hohen Zaun an seiner gesamten Grenze zu Ägypten (Fertigstellung 2014). Seither schaffen es nur noch einzelne Individuen, über die Grenze zu kommen. Was den Groll der Beduinen und weiterer Einwohner des Nordsinai gegen die ägyptische Regierung stark befeuerte waren die Massenverhaftungen, die als Reaktion auf die Anschläge im Jahre 2004 und 2005 erfolgten. Die Anschläge hatten in Touristenzentren im Südsinai viele Menschen das Leben gekostet und verheerende Schäden angerichtet. Als Täter vermutet man Al-Qaida zugehörige Gruppen, die dem Tourismus und damit der Ökonomie des Staates und so dem verhassten Staat selbst einen Schaden zufügen wollten. Die ausführenden Dschihadisten stammten wohl aus dem Nordsinai, hatten aber Helfer aus dem Süden aktiviert.
Dass daraufhin aber mehrere tausend Menschen inhaftiert wurden, die meisten von ihnen völlig unschuldig erzürnte die lokale Bevölkerung sehr. Islamisten operieren schon seit längerem im Nordsinai, aber durch all die genannten Umstände konnten sie mehr und mehr Zulauf gewinnen. Die einen suchten ihr Heil bei ihnen, weil sie deren Wut über die Regierung, über den zionistischen Staat (Israel) und den ganzen Westen teilten, andere liefen aus wirtschaftlicher Not und aus Mangel an anderen Perspektiven über – lockten die Dschihadisten doch nicht nur mit Geld, sondern auch mit der Aussicht auf eine Ehefrau und ein Haus. Durch die versuchte Revolution und den Sturz Mubaraks im Jahr 2011 gerieten die Dinge im Nordsinai mehr und mehr ins Chaos. Die Medien sprechen von dem Sicherheitsvakuum, das der Sturz, bzw. erzwungene Rücktritt Mubaraks hinterlassen hat. Die Menschen konnten aus den Gefängnissen fliehen und die Extremisten bewaffneten sich aus den Arsenalen der Sicherheitskräfte. Der nächste gewählte Präsident, Muhammad Mursi, sprach zwar mit den Extremisten und es gehen Gerüchte, dass er hochrangige Personen unter ihnen ins politische Geschehen mit einbeziehen wollte, aber die Situation entspannte sich nicht. Mursis Herrschaft währte nur kurze Zeit – die Militärs duldeten ihn nicht und putschten ihn 2013 kurzerhand weg. Das geschah unter viel Blutvergießen. Seither hat der Konflikt im Nordsinai Bürgerkriegsartige Züge. Die Extremisten, die einer Vielzahl von Gruppen zugehören konnten ihren Einfluss ausbauen. Ende 2014 schwor ein Teil von ihnen dem IS die Treue und rief das „Emirat Sinai“ aus, bzw. „Provinz Sinai“. Es ist ihnen zwar nicht gelungen, Städte einzunehmen, aber sie kontrollieren einige kleinere Ortschaften und betreiben eigene check-points. Die Gruppen finanzieren sich durch kriminelle Aktivitäten und Zuwendungen aus dem Ausland. Sie besitzen starke Waffen, die es ihnen sogar ermöglichen, Flugzeuge und Schiffe anzugreifen. 2013 verübten sie einen Anschlag auf den ägyptischen Innenminister (er überlebte), 2014 schossen sie einen Militärhubschrauber vom Himmel (fünf Tote); es gab auch Angriffe gegen Israel. Ihre Gewalt richtet sich in erster Linie gegen Militär und Polizei. Das Militär ist inzwischen dazu übergegangen, mit blanker Gewalt gegen das Treiben vorzugehen. Es fliegt Luftangriffe auf die Orte, wo sie die Verstecke der Kämpfer vermuten und nähern sich nach den Angriffen aus der Luft vom Boden her. Tatsächlich verschanzen sich die kämpferischen Islamisten in den Dörfern und Häusern unter der Zivilbevölkerung. So haben die Angriffe der Regierung, die ja aus deren Sicht als Vergeltungsschläge gelten und die Zahl der Kämpfer verringern soll immer wieder zivile Opfer zur Folge. Das Militär ist letzten Endes hilflos, denn die Kämpfer kennen das Terrain viel besser und wissen, wo sie sich in den Bergen in Höhlen verstecken können. Die gewöhnlichen Zivilisten finden sich in der Zwickmühle wieder. Beide Seiten verlangen von ihnen Loyalität. Wer sich aber nicht mit den Extremisten solidarisieren und ihnen keine Zuflucht gewähren will oder wer ihre Namen an die Regierung verrät läuft Gefahr, seinen Kopf abgetrennt zu bekommen. Loyalität mit der Regierung schützt aber andererseits nicht davor, dass man aus Versehen ums Leben kommt oder sein Haus verliert.
Weil islamistische Kämpfer mit Allradantrieb-Fahrzeugen durch die Wüste fahrenwurden Allrad-Jeeps verboten – im ganzen Sinai. Weil islamistische Kämpfer Bomben mit Handies fernzünden werden die Handytürme abgeschaltet, wenn Militärkonvois unterwegs sind. Weil Islamisten Motorräder fahren verbietet man Motorräder, usw. All das führt zu großem Frust in der Bevölkerung, so dass viele Familien die Gegend verlassen haben. 2017 traf der Hass der Dschihadisten die Kopten (ägyptische Christen) und sie drohten ihnen Schlimmstes an. Zu hunderten flohen sie aus dem Sinai. Mehrere Bomben hatten in und vor koptischen Kirchen in Ägypten knapp 50 Menschen getötet und hunderte verletzt. Der IS möchte seinen Einfluss nicht nur im Sinai verstärken, sondern auch Richtung Kairo und Niltal ausdehnen. Präsident Al-Sisi lässt gerne verlauten, die Situation sei unter Kontrolle, aber davon kann im Moment keine Rede sein. Im Mai 2017 erklärten die Stämme, sie werden nun auf eigene Faust gegen die IS-Anhänger kämpfen. Sie haben Waffen, obwohl Waffenbesitz verboten ist. Der Staat begrüßt es nicht, wenn die Gruppen auf eigene Faust mit Waffengewalt gegeneinander kämpfen, vielmehr sollten die, die den IS bekämpfen wollen in die Armee eintreten.
Die geschilderte Situation betrifft vor allem eine kleine Gegend im Nordost-Sinai. Der Süden und seine Tourismusgebiete sind davon weit entfernt und durch ein großes Plateau und Berge getrennt. Die Menschen im Südsinai wollen alles tun, um zu verhindern, dass der Konflikt auf ihr Gebiet überschwappt. Sie wünschen sich Frieden und Ruhe, damit wieder mehr Touristen zu ihnen kommen. Mehrfach haben sie der ägyptischen Regierung offiziell ihre Loyalität ausgesprochen und versprochen, in Sicherheitsfragen mit ihr zusammenzuarbeiten. Kriminelle und Islamisten aus dem Norden wissen: Wenn sie einem einzigen Stammesangehörigen aus dem Süden etwas antun oder Gäste von Beduinen (das bedeutet: Touristen, die mit Beduinen unterwegs sind) in irgendeiner Weise verletzen, entführen oder töten, dann droht ihnen die Rache des ganzen Stammes. Dies kann nahezu als Garantie dafür gelten, dass die Gewalt aus den nördlichen Regionen nicht in den Süden übergreift.
Bedenken Sie: Es gab in den letzten Jahrzehnten in der Wüste keinen einzigen Fall von Gewalt gegen Touristen (die mit Beduinen unterwegs waren). Wer mit Beduinen im Süden durch die Wüste reist oder mit ihnen auf Straßen unterwegs ist genießt vollen Schutz. Kein Außenstehender würde wagen, den Gästen (Touristen) etwas anzutun. Ein Beduine wäre bereit, sein Leben zu opfern, um seinen Gast zu schützen. (Polizei und Militär wären keine Hilfe, denn sie kennen die Wüste nicht). Aber noch einmal: solche Situationen oder Angriffe gab es nie. 2018 hatten die Beduinen des Südens im Rahmen einer groß angelegten Operation die Gelegenheit, den Militärs zu zeigen und zu beweisen, dass es im Süden keine Islamisten und auch keine Verstecke für Islamisten gibt.
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Kleiner Sinai-Begleiter In der Wüste – Pflanzen, Tiere, Beduinen
136 Seiten, 24 Farbbilder
Der Sinai-Begleiter kostet 12,- Euro incl. Versand innerhalb Deutschlands und 14,50 Euro weltweit. Bitte bestellen Sie über das Kontaktformular. Es gibt das Buch auch auf Englisch.
Wie gelingt es Pflanzen und Tieren, in der Wüste zu überleben und wie schaffen das die Menschen?
Der Kleine Sinai-Begleiter führt den Leser in die traditionelle Welt der Beduinen der ägyptischen Sinaiwüste ein: Das Leben im Stamm, die Rollenvorgaben für Frauen und Männer, der Lebenszyklus, der Islam. Ebenso erläutert das Buch die Veränderungen der letzten Jahrzehnte, berichtet von Menschen, die in Häusern aus Beton leben, in Jeeps umher fahren, mp3 aus dem Netz laden und die mit ihren Kamelen Reisende aus dem Westen durch ihre Wüsten begleiten, nicht ohne sich darüber zu wundern, warum diese so gerne in der prallen Sonne liegen, obwohl sie doch so schöne weiße Haut haben…
Mzayna Beduinen im Sinai – von alten und neuen Tagen
Benteli-Verlag, Bildband, 144 Seiten Mit Fotografien von Anina Gmür (Hg.) und Daniel Auf der Mauer Mit Texten von Katrin Biallas und Anina Gmür Im Buchhandel erhältlich
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