Flora

Die Sinaihalbinsel besteht in erster Linie aus Wüste. Wüste aber steht keineswegs für Ödnis und leeres Land. Nein, auch die sandigen Ebenen und die Steinfelsen werden von unterschiedlichsten Pflanzen besiedelt und wer einmal im Frühjahr dort unterwegs war, weiß, auf welche Vielzahl von Blümchen, Kräutern, blühenden Sträuchern und Bäumen man stößt. Außerdem ist der Sand in seinen tieferen Schichten ein sehr guter Wasserspeicher.

Auf der Sinaihalbinsel wachsen rund neunhundert Pflanzenspezien. Etwa 420 darunter kommen auf nur 2% der Halbinsel vor und zwar im Gebirge rund um das Katharinenkloster und den Mosesberg. Etwa 30 Spezien sind endemisch, d.h. sie wachsen ausschließlich im Sinai.

Botaniker rechnen die Vegetation im Nordsinai zur saharo-arabischen Vegetationszone. Sie hat leicht mediterranen Einschlag. Im Südsinai und im Hochgebirge im Landesinneren finden sich Pflanzen der irano-turanischen und sudanischen Zone.

Die Pflanzen kennen ausgeklügelte Tricks, um in der regenarmen Hitze Jahre- oder Jahrhundertelang zu überleben. Manche Pflanzen schicken ihre Wurzeln tief in den Boden. Akazienwurzeln können weit über 30 Meter lang werden und erreichen auf diese Weise das Grundwasser. Andere bilden nahe der Oberfläche Wurzelsysteme bis zu 100 Quadratmeter. Dort haben andere Pflanzen keinen Platz mehr.

Eine weitere Überlebenstechnik besteht im Einsparen von Wasserverbrauch. Dazu gehört das Vermindern der Verdunstung durch Aufnahme von Salz im Zellsaft, wie man es zum Beispiel beim Jochblatt (zygophyllum) findet. Das Jochblatt nimmt überdies sein Kohlendioxid nachts auf, so dass durch die geöffneten Spaltöffnungen keine Feuchtigkeit entweicht. Tagsüber bleiben diese geschlossen.

Auch für ihre Vermehrung haben die Pflanzen intelligente Mechanismen entwickelt. Das eben erwähnte Jochblatt hat die Möglichkeit zur Messung der Niederschlagsmenge. Nur wenn genug Wasser gemessen wird, keimt der Same.

Gut bekannt ist hierzulande die berühmte „Rose von Jericho“ (anastatica hierochuntica). Sie rollt bei Regen innerhalb von Minuten ihre eingekrümmten Zweige aus, so dass reife Samen hinaus können. Einige Samen bleiben aber zurück, falls sich das Jahr als zu trocken erweist.

Palme

Die Dattelpalme (phoenix dactylifera) wächst nur dort, wo es ständige Wasservorkommen gibt, also vor allem in den Oasen. Sie liefert nicht nur die Dattelfrucht, sondern verschiedene Teile von Stamm und Blättern werden zum Haus- und Dachbau verwendet, zu Körben geflochten, als Füllmaterial unter Kamelsättel gegeben usw. Natürlich dienen die trockenen Blätter auch als Brennmaterial. Heute sieht man in den Touristencamps ganze oder längs durchteilte Palmstämme als Lehne für Bodensitzgruppen. Die Bestäubung der weiblichen Blüten erfolgt mit Hilfe des Menschen.

Palmen sind üblicherweise im Besitz von Privatpersonen oder Familien.

Akazie

Zu den auffälligsten Pflanzen im Südsinai gehört der Akazienbaum (u.a. acacia raddiana). Die Akazien stehen in den Trockentälern und können jahrelange Trockenheit mühelos überleben, weil ihre Wurzeln bis zum Grundwasser reichen. Sie liefern den Ziegen der Beduinen beliebtes Futter: Sowohl die Blüten als auch die Samen zählen zu deren Leibspeise. Obwohl die Akazien lange, spitze Dornen tragen, werden die Äste von Kamelen gern abgeknabbert. Die trockenen Zweige der Akazien werden von den Beduinen vom Boden aus mit langen Stangen aus den Bäumen herausgebrochen und als Brennholz verwendet. In den alten Tagen stellten die Beduinen aus Akazien- und Ginsterholz Kohle her und verkauften sie.

Gegenwärtig sterben u.a. aufgrund des Absinkens des Grundwasserpegels viele Akazien und es ist nicht einfach, neue gezielt anzupflanzen.

Ginster

Eine weitere, sehr häufige Pflanze im Südsinai ist der Ginsterbusch (retama raetam). Er blüht im März / April weiß. Seine Früchte zählen zu den Lieblingsspeisen der Ziegen und Schafe. Die Ginsterbüsche sammeln um sich herum Hügel aus Sand an. Der Ginster hat lange Wurzeln, die nach dem Absterben als Brennholz dienen.

Weißer Saxaul

Der Weiße Saxaul (haloxylon persicum) sieht dem Ginster auf den ersten Blick sehr ähnlich, wird aber viel größer und hat eine hellere Rinde. Er wächst zum Beispiel im Al-Jebi-Tal. Er zählt zu den Leibspeisen eines jeden Kamels, das guten Geschmack hat.

Kaper

An den Felswänden aus Granit und Sandstein, aber auch am Boden sieht man oft riesige Kapernbüsche (capparis aegyptica o. c. cartilaginea). Die Beduinen verwenden davon im übrigen nicht – wie wir – die Knospen, sondern die fertigen, bitter schmeckenden Früchte, die aussehen wie kleine Gurken. Wunderschön sind seine Blüten: große, schneeweiße Blätter, aus denen lange, dünne, lilafarbene Staubgefäße herausragen.

Tamariske

Die Tamariske (tamarix) ist eng mit der Geschichte des biblischen Manna verbunden. Generationen von Biologen und Bibel-Archäologen haben sich gefragt, was wohl das Manna sein könnte, mit dem der Herr den Seinen das Überleben in der Wüste gesichert haben soll (Exodus 16). Eine der Theorien lautet, es könnte die honigartige Ausscheidung von Schildläusen sein, die die Siebröhren der Tamariskenzweige anstechen. Das Phänomen dieser Tröpfchenbildung wurde von vielen Wüstenfahrern beobachtet und beschrieben. Allerdings kann man damit nicht ganze Völker ernähren…

Man findet solche Ausscheidungen auch an den Gänsefußarten haloxylon schweinfurthii und anabasis articulata.

Desweiteren finden wir im Sinai häufig:

  • Bilsenkraut (hyoscyamus boveanus o. h. muticus)
    Es ist in geringen Mengen berauschend, in größeren Mengen jedoch hochgiftig und wurde im Mittelalter u.a. zur Bereitung von Hexensalben benutzt.
  • Bocksdorn (lycium shawii)
  • Fenchel (foeniculum vulgare)
  • Jochblattgattungen (zygophyllum album und z. dumosum)
  • Koloquinte (citrullus colocynthis). Dieses Kürbisgewächs kriecht flach am Boden. Seine Früchte, die wie kleine gelbe Bälle aussehen, treibt der Wind oft weit durch die Täler. Ihr Fruchtfleisch enthält einen Bitterstoff, der abführend wirkt.
  • Sodomsapfel (salotropis proceva). Dieser Baum wird bis zu fünf Meter hoch und ist giftig. Er hat dicke, feste Blätter, die die Zweige dicht umgeben. Die Frucht ähnelt Äpfeln.
  • Teufelskralle oder Gamander (teucrium polium). Dieses Kraut besitzt einen wunderbar aromatischen Duft und wird von den Beduinen als Aufguß getrunken.
  • Wermut (arthemisia herba-alba). Auch die verschiedenen Wermut- und Beifussgewächse des Sinai riechen sehr intensiv, werden als Aufguss getrunken, dienen als Heilmittel und zum Würzen.
  • Zilla (zilla spinosa). Dieses kugelförmige, dornige Gestrüpp löst sich im voll entwickelten Zustand von seiner Wurzel und wird vom Wind wie ein Ball durch die Täler getrieben. Nach Regen schießt die Pflanze bis weit über einen Meter hoch und wird vom Vieh mit großem Genuss gegessen.

Pflanzen im Hochgebirge

Ganz besonders interessant sind Wildflora und Gartenkultur im Gebirge um das Katharinenkloster. Dort wachsen wild der Weißdorn (craetagus sinaica), die Feige (ficus), Lavendel, Minze, Salbei, Primel (primula bovaena), Disteln, Myrrhe und hunderte mehr.

In den Gärten der Beduinen findet man eine Vielzahl weiterer Pflanzen. Neben den Dattelpalmen und Olivenbäumen gibt es den Christdorn oder Lotosbaum, dessen kleine, rote Früchte gegessen werden können und Maulbeerbäume. Desweiteren kultivieren die Beduinen in ihren Gärten mehrere Aprikosen-, Äpfel- und Birnensorten, Pflaumen, Guaven, Limonen, Orangen, Quitten, Granatäpfel, Weintrauben, Feigen, Melonen, Tomaten, Gurken, Auberginen, aber auch Mandeln, Minze, Tabak, Rauke, Rosmarin, und Vieles mehr.

Die Dschabaliya-Beduinen waren in früheren Tagen großartige Gartenbauer und sie waren es auch, die die Pflanzungen der Mönche hegten und pflegten. Heutzutage jedoch verlassen viele das Hochland und suchen sich Lohnarbeit im Bereich Tourismus u.ä. Viele Gärten vertrocknen, zerfallen und verwildern daher und die Kunst des Gartenbaus geht Stück für Stück verloren.

Auf der anderen Seite bietet der Tourismus einen neuen Anreiz für die Beduinen, ihre Gärten wieder intakt zu halten, da sie Wandervögeln, modernen Eremiten und Visionssuchenden aus aller Welt als Übernachtungsplätze dienen.

Der Brennende Dornbusch

Bei dem Busch, den die Mönche des Katharinenklosters und die Gläubigen als den Brennenden Dornbusch verehren, aus dem heraus (gemäß Bibel: Exodus 3) Gott zu Moses gesprochen hat, handelt es sich um ein Brombeergewächs (rubus sanctus). Allerdings wurde dieser Busch versetzt. Vorher befand sich an dem Ort, wo man ihn ursprünglich vermutete, ein syrischer Blasenstrauch (colutea istria). Er ging in kleine Teile zerlegt als Reliquien an Christen in aller Welt. Naturwissenschaftler versuchen das Phänomen des Brennenden Busches unterschiedlich zu erklären. Eine Mutmaßung lautet, die in der Bibel erwähnte Pflanze sei ein stark ölhaltiges Gewächs. Das Öl konnte sich in der Sonne entzünden und verbrennen, ohne dass die Pflanze selbst verbrannte. Eine andere Theorie besagt, dass die Pflanze so beschaffen war, dass sie wirkte, als stünde sie in Flammen, wenn das Sonnenlicht in ihr funkelte.

Wirklich wichtig erscheint mir jedoch der Symbolgehalt, den diese biblische Geschichte für die Gläubigen hat: Gott erscheint dem Menschen Moses, gibt ihm einen Auftrag und offenbart ihm seinen Namen.

Mangroven

Ganz im Süden wachsen am Meer Mangroven (avicennia marina). Es heißt, es wären die am nördlichsten gelegenen Mangroven weltweit. Ihr Wurzelgewebe hindert das Meersalz daran, in die Pflanze einzudringen. Im Naturpark Ras Mohammed und in Nabeq-Naturpark kann man in den Mangroven umherspazieren.